Auseinandergelebt oder ent-"täuscht"? - Trennungen aus Sicht einer Gerichtspsychiaterin

Warum sich Paare dazu entschließen, getrennte Wege zu gehen und welches Fazit sie über diesen Schritt ziehen hat Adelheid Kastner in ihrem Buch "Tatort Trennung - Ein Psychogramm" dokumentiert. Die Gerichtspsychiaterin skizziert darin ein Spektrum an Trennungen - von den stillen, innerlichen bis zu jenen, die mit tragischen Gewaltdelikten enden.

Die treibende Kraft in Adelheid Kastners Beruf ist die Neugier. Wenn sie psychiatrische Gutachten erstellt, "kriecht" sie in das Leben ihrer Gesprächspartner - oftmals Täter und Opfer von Gewaltdelikten - um die Menschen und ihre Handlungen erfassen zu können. Immer wieder spielen dabei Trennungen eine bedeutende Rolle in den Gesprächen. Sie erschüttern das Lebenskonzept der Betroffenen, stellen eine Zäsur in der Biografie dar. Im dramatischsten Fall bezahlen Partner die Trennung mit ihrem Leben, wie Kastner aus der Praxis weiß: "70 Prozent aller Tötungsdelikte passieren im Beziehungskontext." Nicht der dunkle Park sei der risikoreichste Ort, einer Gewalttat zum Opfer zu fallen, sondern mitunter das eigene Heim: "Wider Evidenz fürchten sich Menschen am falschen Ort."

Aber auch ohne körperliche Gewalt seien Trennungen immer eine dramatische und verletzende Erfahrung. Studien zeigen, dass eine mutwillige Trennung, in der man für entbehrlich erklärt wird, als belastender wahrgenommen wird als zum Beispiel der schicksalshafte Verlust des Partners durch Unfall oder Krankheit. Das Grundvertrauen in die Welt als guten Ort geht, zumindest vorübergehend, verloren.

Adelheid Kastner macht die Erfahrung, dass Menschen eine Trennung rückblickend oft kritisch betrachten und sich ihre Situation nicht unbedingt verbessert. Selten gibt es auch eindeutig nachvollziehbare Gründe für das Beenden der Beziehung. "Wir haben uns auseinandergelebt," ist die Antwort, die sie am öftesten erhält. Warum setzt man also dennoch den Schlusspunkt, wenn es danach nicht zwingend besser wird? 40 Prozent aller Ehen werden mittlerweile geschieden und selbst innerhalb aufrechter Ehen leben ungefähr ein Viertel der Paare in einer innerlichen Trennung. Oft kristallisieren sich enttäuschte Erwartungen an den Partner heraus. Die "Ent"täuschung setzt auch eine Täuschung voraus, die allerdings in den seltensten Fällen der Partner, sondern man selbst konstruiert hat. Das Idealbild des Partners - entworfen in der Phase erster Verliebtheit - erhält im Beziehungsalltag Risse und hält der Realität nicht stand. "Die Schuld immer beim Anderen zu suchen ist einer der vier apokalyptischen Reiter, die eine Trennung ankündigen," weiß Kastner und empfiehlt, von Zeit zu Zeit in sich zu gehen und auch die eigenen Verhaltensweisen zu reflektieren.

Eine Trennung müsse immer wohl überlegt sein und gute Gründe haben, etwa wenn man Gefahr laufe, die eigene Würde, Gesundheit oder Selbstachtung zu verlieren. Auch müsse die Antwort auf die Frage "Geht es mir wirklich alleine besser?" ein eindeutiges "Ja" sein. In der Akutphase nach einer Trennung sollten alle Gefühle zugelassen und der Schmerz durchlitten werden. Langfristig sollte man aber zu der Einsicht gelangen, "dass die gemeinsam erlebte Zeit keine verlorene war" und sie als Teil der biografischen Vergangenheit akzeptieren.

Eine Veranstaltung des Katholischen Bildungswerkes Salzburg in Kooperation mit OVAL-Die Bühne im Europark


C.K., April 2017

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Dr. Adelheid Kastner, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Gerichtsgutachterin für Strafrecht, Autorin