„Krisenheldinnen“ an ihren Grenzen

Wie die Belastungen von Frauen in schweren Zeiten immer mehr zunehmen

Die Arbeitsexpertin Veronika Bohrn Mena fordert ein Umdenken in Politik und Gesellschaft: „Was wäre, wenn Frauen für einen Tag, für eine Stunde oder nur für 10 Minuten ihre Arbeit niederlegen würden?“

In Zeiten der Pandemie haben sich die Arbeitswelten vieler Menschen verändert. Besonders Frauen mussten in den langen Monaten der Krise oftmals am eigenen Leib erfahren, wie stark die Auswirkungen von Mehrfachbelastung, prekären Arbeitsverhältnissen und familiärem Stress zugenommen haben. Frauen mussten – noch mehr als vorher – „jonglieren“ lernen. Jedoch ist dies kein Spiel. Schlafdefizit, gesundheitliche Einschränkungen, einhergehend mit Einkommensdefiziten (besonders in den „systemrelevanten“ Berufen) führen zu Erschöpfung. Finanzielle Unterstützungsleistungen orientieren sich weiterhin am Bild männlicher Industriearbeiter und nicht an einer alleinerziehenden Mutter in prekären Beschäftigungsverhältnissen.
Vor kurzem beschäftigte sich die Wiener Arbeitsexpertin Veronika Bohrn Mena bei einer online durchgeführten Veranstaltung mit diesen Problemen: Sie fordert in der Krisenbewältigung der Politik Überlegungen zur gerechten Verteilung von Zeit sowie eine Reduzierung der Normalarbeitszeit. „In der Pandemie sind Frauen oftmals gezwungen, ihre Anstellungszeit zu verringern, weil sie die geforderten Leistungen im Alltag nicht mehr bringen konnten, was wiederum einschneidende Gehaltseinbußen nach sich zieht“, betonte Bohrn Mena. „Dies ist nur ein weiterer Dreh in einem Teufelskreis.“ Die Benachteiligung von Frauen zeige besonders in gesellschaftlich schweren Zeiten ihre wahren Auswirkungen, die weit über Fragen der Gleichstellung hinausgehen. Lösungen können, so die Expertin weiter, nur erreicht werden, wenn es einen offenen Wertediskurs über die reale Arbeitsleistung von Frauen und die immer noch vorherrschende Geringschätzung ihrer Tätigkeiten gibt. Die Politik dürfe sich der unangenehmen Wirklichkeit nicht entziehen, sondern müsse Maßnahmen ergreifen, dass die Ungleichbehandlung der Geschlechter auf lange Sicht reduziert wird.
Zu diesem Diskurs gehöre auch, dass Frauen ihre Stimme finden: Die Teilnehmerinnen konnten ihre eigenen Erfahrungen einbringen, ihre Sicht auf die Dinge darstellen und wichtige Impulse mitnehmen. Gleichzeitig aber appellierte Veronika Bohrn Mena an die Frauen, sich weiter gegenseitig zu stärken und ihr Schweigen zu überwinden: „Die Solidarität unter Frauen ist ein Schlüssel für eine mögliche Verbesserung: Die weibliche Stimme der Gesellschaft soll sich an die Politik richten – so laut und lange, bis sie gehört wird.“

Die Veranstaltung wurde vom Katholischen Bildungswerk Salzburg in Zusammenarbeit mit der Katholischen Aktion „Kirche und Arbeitswelt“ organisiert und durchgeführt.


A. W., Dez. 2021

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Bild: Michael Mazohl