Krisenpolitik: Systemerhaltung statt Systemänderung
"Osteuropa in der Krise?" war das Thema der gestrigen Podiumsdiskussion aus der Veranstaltungsreihe "Konflikt aktuell", die vom Friedensbüro, dem Renner-Institut und dem Katholischen Bildungswerk Salzburg organisiert wird. Dr. Erhard Busek, Mag. Marijana Grandits und Dr. Joachim Becker sprachen mit Außenpolitik-Redakteur Dr. Martin Stricker im Saal der Salzburger Nachrichten über die ökonomischen und sozialen Perspektiven in Osteuropa.
Die Wahrnehmung der Finanzkrise ist in Osteuropa eher gering, obwohl sie natürlich auch dort Auswirkungen hat. "Die Leute dort können nicht so tief fallen, weil sie es näher zum Boden haben", meint Ex-Vizekanzler Dr. Erhard Busek. "Sie sind an Krisen gewöhnt und haben dadurch eine stärkere Krisenresistenz." Der Zeitpunkt, wo man weiß, welche genauen Auswirkungen die Krise haben wird, ist laut Busek noch nicht erreicht.
Es ist keine unangekündigte Krise, denn es gab viele weltweite Hinweise darauf. Das Problem von Osteuropa ist für Dr. Joachim Becker, dass es auf den Export orientiert sind, der jetzt massiv eingebrochen ist. Reagiert wurde darauf mit Einkommenseinsparungen, was aber die "Negativspirale" in Gang bringt und in eine Sackgasse führt. Ein weiteres Problem ist, dass es keine gemeinsame Politik der Europäischen Union gibt, die sich an den europäischen Werten orientiert und die Krise an der Wurzel anpackt.
"Wir müssen wieder Kapitalismuskritik üben dürfen, was natürlich nicht zurück zum Kommunismus heißt", fordert Mag. Marijana Grandits. "Wir müssen neue Systeme andenken, denn in diesem ist die Gier veranlagt." Busek sieht die derzeitigen Maßnahmen ähnlich: "Wir machen Systemerhaltung, nicht Systemänderung." Warum das so ist: "Es gibt keine Strategie der EU, weil die EU keine Kompetenzen hat. Die Mitgliedstaaten haben es verhindert." Becker spricht deshalb von Demokratiedefiziten in der Wirtschaftspolitik und dass die Kompetenzen in der EU eine bessere Qualität brauchen.
Was die sozialen Perspektiven betrifft, so zeichnet sich in Osteuropa ein teilweise düsteres Bild ab. "Die Gruppe der VerliererInnen in diesen Ländern ist sehr groß" schildert Grandits. "Diese Gruppe muss verringert werden, denn es werden neue Feindbilder geschaffen, was sozialen Sprengstoff in sich birgt." Dadurch, dass es an einer sozialen Absicherung fehlt, wandern viele Junge ab. Dies führt dazu, dass die Alten nicht mehr über den Familienverband gepflegt werden können. Busek dazu: "Die Balkanländer sind ein Altersheim." Einig ist man sich am Podium darüber, dass man die Länder am Balkan auch im eigenen Interesse integrieren muss. Die derzeitige Resignation führe zur Stagnation und weg von der Integrationsstrategie.
C.H., Juli 2009