„Männer töten“: Großes Interesse an kontroversem Thema

Autorin Eva Reisinger liest aus ihrem jüngsten Buch und diskutiert über Gewalt an Frauen und Mädchen in Österreich

 Die österreichische Schriftstellerin und Journalistin Eva Reisinger lädt mit ihrem jüngsten Roman „Männer töten“ nicht nur die LeserInnen zu einem aufrüttelnden Gedankenexperiment ein, sondern regte kürzlich bei einer Veranstaltung in Salzburg auch die Diskussion um die Frage an, was es brauchen würde, um die aktuell in Österreich vorherrschende Gewalt an Frauen und hohe Zahl an Femiziden zu stoppen. Der rege Andrang, die kontroversen Debatten um den Titel der Veranstaltung im Vorfeld sowie die emotionale Diskussion machten die Dringlichkeit des Themas deutlich.
 
Der Begriff „Femizid“ bezeichnet die vorsätzliche Tötung einer Frau durch einen Mann aufgrund ihres Geschlechts bzw. aufgrund von vermeintlichen Verstößen gegen traditionelle soziale und patriarchale Rollenvorstellungen, die Frauen zugeschrieben und von ihnen gefordert werden. Femizide gehören somit zu Hassverbrechen an Frauen und Mädchen. Die südafrikanische Soziologin und Autorin Diana Russell war 1976 eine der ersten, die diesen Begriff verwendete. Österreich gilt EU-weit als „Land der Femizide“, weil mehr Frauen als Männer ermordet werden – in den meisten Fällen von ihren Partnern, Ex-Partnern oder männlichen Familienmitgliedern. Die Zahl der Frauenmorde ist im Vergleich zur Bevölkerungsanzahl gegenüber anderen Ländern enorm hoch. 2023 verzeichneten die österreichischen Behörden insgesamt 26 Femizide, 2024 sind es bis dato acht Femizide und 19 Fälle von schwerer Gewalt bzw. Mordversuchen an Frauen. (Quelle: Autonome Österreichische Frauenhäuser)
 
Im ihrem Buch „Männer töten“ beschreibt die Autorin Eva Reisinger einen ländlichen Ort in Oberösterreich, der sich als Matriarchat organisiert hat, von Frauen geführt wird und in dem sonderbarer Weise dutzende Männer ums Leben gekommen sind. In dieser Utopie hat keine Frau Angst davor, nachts im Ort alleine nachhause zu gehen, keine würde die Straßenseite wechseln, nur um einem möglichen Konflikt mit einem Mann vorzubeugen, oder sich darüber Gedanken machen, wie kurz ihr Rock sein darf. Wie aber ist es so weit gekommen? Was steckt hinter der Geschichte dieses Ortes, dass nun plötzlich keine Männer mehr zu finden sind? 
 
Auf die Frage, ob die Überschrift ihres Buches bewusst so gewählt wurde, antwortet Reisinger: „Ja, der Titel ist absichtlich zweideutig und soll polarisieren. Wer mein Buch in die Hand nimmt und den Buchrücken liest, denkt sich im ersten Moment vielleicht: ‚Das ist aber eine krasse Geschichte.‘ Im nächsten Moment muss man allerdings erkennen, dass das umgekehrt ja die Realität ist. Frauenmorde überwiegen in der Zahl der Männermorde und die Zahl an Femiziden ist in Österreich so hoch wie in keinem Land der Europäischen Union. Und so lässt man sich vielleicht auf dieses Gedankenspiel ein und thematisiert Gewalt an Frauen sowie die dahinterliegenden Strukturen möglicherweise auch in seinem direkten Umfeld.“ Wir alle würden beinahe tagtäglich von Gewalt an Frauen und Gewaltverbrechen in Österreich lesen, so die Autorin. Diese Themen seien für die Medien, aber auch für die LeserInnen schon fast „normal“ geworden und bestürzen kaum mehr. Genau das dürfe aber nicht passieren. „Gewalt an Frauen darf nicht alltäglich sein, man soll darüber nicht mehr lesen müssen, im Gegenteil: Alle sollen darüber schockiert sein wie hoch die Zahl an Frauenmorden in unserem Land immer noch ist“, so Reisinger.
 
Auch Eva Reisinger hat keine Lösung für das Problem der Gewalt an Frauen, hält aber fest, dass der Diskurs darüber unabdingbar ist und dass wir nur alle gemeingesellschaftlich daran arbeiten können, die Sicherheit von Frauen in unserem Land zu verbessern. Dazu zählen Aufklärung an Schulen, männliche Vorbilder, keine Scheu vor Feminismus und Zivilcourage. „Viele Vereine und gemeinnützige Organisationen leisten großartige Arbeit im Bereich der Gewaltprävention, es gibt Notrufnummern, Gewaltschutzzentren und Frauenhäuser, die in allen Bundesländern Schutz, Beratung und Sicherheit leisten. Wir alle sollten aber an dem Gedanken fest halten und daran arbeiten, Österreich zu einem Ort zu machen, an dem keine Frau und kein Mädchen Angst haben muss“, unterstreicht Reisinger ihre Position und das Anliegen ihres Buches.

Gemeinsame Veranstaltung mit der Katholischen Aktion - Kirche und Arbeitswelt; Gefördert vom Land Salzburg, Referat für Frauen, Diversität und Chancengleichheit.


A. W., April 2024

zurück zur Übersicht