Menschlichkeit muss man lernen
Was brauchen Kinder in der Erziehung wirklich? Dieser Frage ging vor kurzem der Gestaltpädagoge und Autor Lienhard Valentin in seinem Vortrag für das Katholische Bildungswerk Salzburg, anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums des Eltern-Kind-Zentrums, nach.
Für die Frage, was Kinder wirklich brauchen, gibt es keine Patentrezepte, da es um Menschen geht. "Besser ist es mit dem Kind zu gehen, als Konzepten zu folgen, weil man sonst nur noch in den eingefahrenen Bahnen ist und keinen Kontakt mehr hat", stellt der Pädagoge Lienhard Valentin fest. "Vorher sollte man einen Schritt zurückgehen und sich überlegen, welche Qualitäten ich meinem Kind überhaupt vermitteln will."
Viele Tugenden, die unter dem Begriff "Menschlichkeit" zusammengefasst werden können, sind uns nicht in die Wiege gelegt, sondern müssen erlernt werden. Erkenntnisse aus der Gehirnforschung zeigen, dass die Entwicklung der "Menschlichkeit" mit dem so genannten Mandelkern zusammenhängt. Dieser "fühlt in die Umgebung", ob eine Situation "sicher" ist oder nicht. Untersuchungen zeigten, dass sich bei Menschen, die unter ständiger Angst und Bedrohung aufgewachsen sind, die für die Menschlichkeit zuständigen Gehirnbereiche nicht entwickelt haben. Unter Angst ist die Leistung einfach geringer, als es sonst möglich wäre.
Kinder sind aktive Lerner, das bedeutet, dass sie durch die Erfahrung lernen. Wer beispielsweise möchte, dass sich sein Kind für etwas entschuldigt, wird dies am besten dadurch vermitteln, es selbst zu tun. So sollte man auch die Verantwortung für die eigenen Emotionen übernehmen, um nicht sagen zu müssen: "Du bist schuld, dass ich mich ärgern muss!" Weitere Aspekte für einen achtsamen Umgang mit Kindern sind die Miteinbeziehung in Entscheidungen und das Einnehmen ihrer Perspektive. Oft lassen sich Probleme ganz einfach lösen, in dem man versteht, was das Problem des Kindes eigentlich ist.
"Es ist Kindern grundsätzlich kein Bedürfnis ihre Eltern in den Wahnsinn zu treiben", meint Valentin. Kinder haben das Bedürfnis nach Bindung, aber auch nach Souveränität. Selbst im Erwachsenenalter stehen diese beiden Bedürfnisse noch oft miteinander in Konflikt. Ein weiteres Bedürfnis ist die bedingungslose Zuwendung: "Wer als Kind erfährt - ich liebe dich einfach, weil es dich gibt, der ist schon mal gut aufgestellt", so der Pädagoge.
C.H., Okt. 2010