Ohne Zweifel kein Glaube

Wie steht es eigentlich um den Glauben in unserer heutigen Zeit? Der Theologe Andreas G. Weiß zeichnet in seinem Buch „Glaubensdämmerung“ ein differenziertes Bild menschlicher Glaubensphänomene und zeigt, wie Glaube die Menschen verbinden, aber auch die Gesellschaft spalten kann.

„Ich bin spirituell, aber nicht gläubig.“ Dieser Aussage stand der Autor bei der Arbeit an seinem neuesten Buch häufig gegenüber. Dabei sieht er den Glauben nicht nur in der Religion verortet, sondern fasst den Begriff viel weiter. Jede Beziehung baue im Grunde auf einer Form des Glaubens – im Sinne eines zwischenmenschlichen Grundvertrauens – auf. Es gehe nicht nur darum, „etwas“ zu glauben, sondern auch „jemandem“ seinen Glauben zu schenken. Woher rühren also die zunehmenden Vorurteile dem Glauben gegenüber? Andreas G. Weiß sieht das Problem überall dort, wo Glaube als sicheres Wissen oder naiver Gehorsam ausgelegt wird. Der Weg zu Ideologie und Fanatismus sei von dort nur ein sehr kurzer. „Ohne den Zweifel ist der Glaube kein Glaube“, argumentiert der Theologe. Vielmehr müssten Glaubende es aushalten, kritisch hinterfragt zu werden. Das gelte besonders auch für religiöse Gemeinschaften, die zwar durchaus das Gemeinsame in ihren Glaubenserfahrungen herausstreichen, sich jedoch nicht in ihren Ansichten verkapseln und abschotten sollten. Mitunter brauche es auch eine neue Sprache, um Glaube für den Einzelnen wieder entdeckbar zu machen. Und Feingefühl für die Bedürfnisse der Menschen von heute, um „Andockstationen“ zu schaffen, an denen kirchliches und säkulares Leben miteinander in Kontakt treten könne. Trotz aller Skepsis gäbe es sie aber noch zuhauf, die kleinen „Pflanzen in der Glaubenswüste“, und diese müssten gepflegt werden. Schließlich sei die wichtigste Form des Glaubens immer noch die Begegnung – in Kirche und Gesellschaft gleichermaßen.


C. K., Okt. 2020

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MMag. Dr. Andreas G. Weiß ist Theologe, Philosoph und Autor zahlreicher Publikationen (u. a. „Trump – Du sollst keine anderen Götter neben mir haben", „Der politische Raum der Theologie", Autor der Wochenzeitung „Die Furche").