Verantwortung fürs eigene Leben

Das Altern hat zwei Gesichter: Verlust und verstecktes Potenzial. Über beides, insbesondere aber über die "Chancen der späten Freiheit" sprach kürzlich die Autorin und Sozialpsychologin Herrad Schenk auf Einladung des Katholischen Bildungswerkes Salzburg im Kapitelsaal in Salzburg.

Alte Menschen sind weise und gütig. Vor allem aber sind sie gebrechlich, krank, gebückt, einsam und verbittert. Neue Erkenntnisse aus der Alterswissenschaft sprechen allerdings gegen diese gesellschaftlichen Stereotype, die sich seit dem Mittelalter nicht verändert haben. "Die Angst vor dem Altwerden ist weit verbreitet, aber eigentlich unbegründet, denn die Zeiten für alte Menschen sind wirklich gut", meint die deutsche Autorin und Sozialpsychologin Herrad Schenk. Problematische Themen, wie beispielsweise der Tod des Partners oder Krankheit können nicht schön geredet werden, Fakt ist aber, dass alte Menschen heute gesünder sind, physisch und psychisch später altern, sich länger jung fühlen und mehr Anteil am sozialen Leben haben, als das je zuvor der Fall war. Laut einer Berliner Studie fühlen sich die meisten Hochaltrigen (ab etwa 80 bis 85 Jahren) zufrieden oder sehr zufrieden mit dem eigenen Leben - unabhängig vom Gesundheitszustand. Die größte Angst vor dem Alter haben übrigens die 40 bis 50-Jährigen.

"Vielen Menschen ist noch gar nicht bewusst, dass das Alter ihre längste Lebensphase ist - länger als die mittleren Erwachsenenjahre und auch länger als Kindheit und Jugend zusammen", betont Schenk. "Das Zeitfenster der Begegnung der Generationen ist größer geworden. Das ist ein Geschenk!" Gleichzeitig sind diese gewonnenen Jahre überwiegend gesunde Jahre und keine "Pflegejahre". Kultur und Zivilisation sind die "Freunde" des Alters, denn sie kompensieren vieles. Das heißt, in Städten haben alte Menschen oft mehr Möglichkeiten, was etwa das kulturelle Angebot oder die sozialen Vernetzungsmöglichkeiten betrifft.

Entscheidend für eine längere Unabhängigkeit sind die mittleren Jahre. Denn man sollte schon vorher für das Alter planen und die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, wie beispielsweise eine altengerechte Wohnung. Denn wenn das Schicksal zugeschlagen hat, bleibt oft nur mehr der Weg ins Altenheim. Dass es heute viel mehr Pflegefälle als früher gibt, liegt daran, dass es auch viel mehr Hochaltrige gibt. In Deutschland gab es im Jahr 1950 nur 2000 Menschen, die über 90 Jahre alt waren. Ein halbes Jahrhundert später ist diese Zahl bereits auf 342.000 angewachsen. In Österreich verhalten sich die Zahlen ähnlich, worin auch das Pflegeproblem gründet.

Die Gesellschaft erwartet heute von den Alten, dass sie Verantwortung für das eigene Altwerden übernehmen. Denn im Gegensatz zu früher, weiß man heute, dass man alt wird. Zudem hat man durch den heutigen ökonomischen Standard einen großen Freiraum in dem man selbstbestimmt als "ManagerIn des eigenen Wohlbefindens" agieren kann. Als Schlüssel für ein glückliches Alter, nennt Herrad Schenk die Bildung. Wer schon früh gelernt hat sich an positiven Dingen zu erfreuen, wird es auch später können.


C.H., Nov. 2009

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Dr. Herrad Schenk, Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Köln und York, Sozialpsychologin, Promotion mit einem Thema aus der Gerontologie, freie Autorin, Rundfunk- und Fernsehmoderatorin; lebt in der Nähe von Freiburg (D)