Verkünden, was schon zu spät ist

Ist die Zeit der Kirche bereits abgelaufen? Seine radikale Diagnose für Kirche und Glauben präsentierte der Schweizer Benediktinerpater Martin Werlen vor kurzem in der Dombuchhandlung.

"Zu spät" lautet der Titel von Martin Werlens neuestem Buch, in dem er die aktuelle Lage und Stellung der Kirche analysiert. "Nicht die Menschen haben sich von der Kirche abgewandt, sondern die Kirche hat verlernt, die Sprache der Menschen zu sprechen", geht er in seinem Bestseller durchaus kritisch mit der Kirche ins Gericht. Diese Situation sorge für Unruhe innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft. Sie klammere sich an Strohhalme, die schon gar nicht mehr da seien oder hoffe darauf, dass die "guten Zeiten" wiederkehren würden. Das sei fatal, nicht nur für die Kirche, sondern auch für die Gesellschaft. Werlen plädiert für eine positivere Sicht- und Herangehensweise und dafür, zu erkennen, dass die Situation auch neue Möglichkeiten in sich berge: "Wenn es 5 vor 12 ist, ist man im Stress und kann nicht mehr klar denken. Wenn es aber bereits 5 nach 12 ist, ergeben sich völlig neue Perspektiven, in denen man viel Ballast abwerfen kann." Sich einzugestehen, dass es "zu spät" sei, könne somit auch befreiend wirken und Energien für Hoffnung und Neues freisetzen. Es gelte für die Kirche, aus ihren Räumen herauszutreten, auf die Menschen zuzugehen und wieder zu lernen, bei ihnen zu sein.


C.K., März 2018

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Foto: P. Martin Werlen OSB, em. Abt des Klosters Einsiedeln (CH), Theologe, Buchautor