Wer sind wir?
Gesellschaft in der Identitätskrise
Die Philosophin und freie Publizistin Isolde Charim las kürzlich auf Einladung des Katholischen Bildungswerkes Salzburg in der Buchhandlung Motzko aus ihrem Buch "Ich und die Anderen: Wie die neue Pluralisierung uns alle verändert" und behandelte Fragen nach Identität, gesellschaftlichen Umbrüchen und damit einhergehenden Herausforderungen.
Wir leben in einer zunehmend pluralisierten Gesellschaft mit einem Mix an Kulturen, Einstellungen, Werten und Überzeugungen. Die Vormachtstellung der homogenen Gesellschaft, wie sie früher zumindest dem Anschein nach existierte, ist stark angekratzt und damit verliert auch ihre identitätsstiftende Wirkung an Bedeutung. Was bedeutet es nun für den Einzelnen, wenn die vermeintliche "Norm" zu nur einer von vielen verschiedenen Handlungsoptionen degradiert? Isolde Charim sieht die heutige Gesellschaft an der Kippe, was den Umgang mit Pluralisierung angeht. Im besten Fall könnte sie einen Demokratisierungsschub verursachen: "Pluralisierung bedeutet Vielfalt, die sich in jedem von uns einschreibt." Andererseits seien wir durch den Wegfall verbindlicher Vorgaben auch "weniger selbstverständlich Ich", würden uns in einem "identitären Prekariat" wiederfinden, was bestimmte Formen der Abwehr hervorrufen könnte. Auch wenn der Prozess ein komplizierter sei und viele Probleme mit sich bringe, warnt Charim davor, der Pluralisierung unserer Gesellschaft mit Angst und Segregation zu begegnen. Sie plädiert für einen offenen Umgang und mehr "gefährliche Begegnungen" im positivsten Sinn - nämlich mit der Erkenntnis, dass der Kontakt mit anderen Lebensweisen auch bereichernd, und letztendlich selbstverständlich sein kann.
C.K., Oktober 2019