
Frühkindliche Bindung, Traumaarbeit und digitale Bildung – drei Brennpunkte pädagogischer Verantwortung
Im Zentrum des Donnerstagvormittags der 73. Internationalen Pädagogischen Werktagung stand, was Pädagogik im Alltag wirklich fordert: Sensibilität für die emotionalen Grundlagen kindlicher Entwicklung, reflektierter Umgang mit Verletzlichkeit – und ein bewusster Blick auf die Rolle digitaler Technologien in der frühen Bildung.
Der Entwicklungspsychologe Peter Zimmermann (Universität Wuppertal) zeigte auf, wie eng Bindung, Emotionsregulation und spätere Beziehungsfähigkeit miteinander verwoben sind. Gerade in den ersten Lebensjahren, so Zimmermann, werden fundamentale Weichen gestellt: „Emotionale Sicherheit ist kein pädagogischer Zusatz, Bindung ist auch keine Frage einseitigen Bezugsgeschehens. Bindung ermöglicht eine stabile Form von Nähe und Distanz." Dies bedeute wiederum, dass Bindung nie eine bloße Anbindung oder Abhängigkeit ist, sondern ein Rahmen für gesicherte Annäherung, aber auch für die Trennung und Individualisierung. Die hier entwickelte emotionale Sicherheit und Stabilität ist das Fundament für jedes gelingende Lernen und Zusammenleben." PädagogInnen seien daher gefordert, feinfühlig auf Entwicklungsverläufe zu reagieren und Bindungsstörungen nicht zu übersehen.
Eindringlich und persönlich wurde es im gemeinsamen Vortrag der Psychotraumatologin Silke Gahleitner und der Politikerin Angela Marquardt, die selbst von familiärer Gewalt betroffen war. Beide warnten vor der Reduktion traumatisierter Menschen auf ihre Verletzungen. Gahleitner betonte: „Traumata sind nicht das Ende der Entwicklung – aber sie brauchen ein Gegenüber, das Beziehung anbietet." Marquardt ergänzte: „Man muss nicht alles verstehen – aber man muss bereit sein, zuzuhören und dazubleiben." Besonders im pädagogischen Kontext sei es wichtig, neue Beziehungserfahrungen zu ermöglichen, die Vertrauen wachsen lassen.
Den dritten Impuls setzte Lars Eichen, Bildungswissenschaftler aus Graz, mit einem pointierten Vortrag zur Digitalisierung in der Elementarpädagogik. Digitale Bildung, so Eichen, sei längst Teil der kindlichen Lebenswelt – aber oft ohne klare Konzepte. Er warnte vor unreflektierter Technikeuphorie ebenso wie vor pauschaler Ablehnung: „Digitale Kompetenz beginnt mit der Haltung der Erwachsenen." Es brauche klare Werte, gute Modelle und ein kritisches Bewusstsein – vor allem auch im Umgang mit Medienkompetenz bei Kindern unter sechs Jahren.
Die moderierten Gespräche an sogenannten Meeting Points ermöglichten im Anschluss den direkten Austausch mit den Vortragenden. Fachlich fundiert, praxisnah und dialogisch – so zeigte sich auch an diesem Tag das Profil der Werktagung: Pädagogik als verantwortungsvolle Beziehungsarbeit in einer herausfordernden Zeit.
A. W., Juli 2025
Bilder: eds/naghshi