Raumerfahrung und (Cyber-)Space

Kinderbetreuungseinrichtungen, Freigelände, Spielplätze – alle speziell für Kinder designierten Räume eint, dass sie von Erwachsenen erdacht und gestaltet wurden. Auf die Vorstellungen und das Spielverhalten von Kindern wird dabei oft erschreckend wenig Rücksicht genommen, wie die Erziehungswissenschafterin Kornelia Schneider und der Gartenplaner Herbert Österreicher unisono betonen. Beide plädieren bei der Internationalen Pädagogischen Werktagung für einen Perspektivenwechsel, um Kindern Räume zu bieten, die vermehrt ihren Bedürfnissen entsprechen.

 Raumerfahrung finde selten bewusst statt, vielmehr wirken Räume auf unterschiedlichen Ebenen auf Menschen ein. Besonders in den ersten Lebensjahren bilden sie aber den Rahmen, in dem Kinder durch Wahrnehmung, Bewegung und Handlung die Grundlage des Denkens entwickeln können, so die Pädagogin Kornelia Schneider. Dass das Leben von Kindern weitestgehend speziellen Orten wie Kinderbetreuungseinrichtungen oder Spielplätzen zugewiesen wird, sieht sie kritisch. Kinder würden aus dem öffentlichen Raum verdrängt und müssten in geschlossenen Arealen in meist zu eng bemessenen Räumen ihre Umwelt erfahren. Dem Drang, die Welt zu erforschen, sich frei bewegen zu können, aber auch geheime Rückzugsorte zu finden, werde nur unzureichend entsprochen. Zudem würden Kindern nur selten Freiräume zugebilligt, um selbstbestimmtes Handeln zu erproben: „Kinder machen heute kaum Raumerfahrungen ohne Begleitung durch Erwachsene.“ Schneider ist sich der Verantwortung bewusst, die Eltern und Betreuende für die Sicherheit von Kindern tragen. Allerdings sei es ebenso wichtig, Kindern den Umgang mit Risiken und Grenzen zu lehren: „Wenn wir Kinder immer hindern, eigene Erfahrungen zu machen, bremsen wir sie aus und behindern sie in ihrer Entwicklung.“ Sie ermuntert Erwachsene, Raumerfahrung als Bildungspotential wahrzunehmen und Kindern Gelegenheiten zu bieten, Räume möglichst selbstständig zu erproben, zu erspielen und zu erforschen.

 Herbert Österreicher plant und gestaltet Außenanlagen von Kindertageseinrichtungen und versucht dabei Bereiche zu schaffen, wo Kinder selbst tätig werden können und ein „Arbeitsgelände“ für ihre Zwecke vorfinden. Er spricht dabei nicht von „Gärten“, denn dieser Begriff würde bei Erwachsenen ein inneres Bild erzeugen, das wenig mit den Orten zu tun hat, die für Kinder spannend und interessant seien. Was für ordnungsliebende Erwachsene mitunter schmutzig, verwahrlost und gefährlich wirkt, ist für Kinder eine „Werkstätte“, in der sie hingebungsvoll und mit viel Kreativität bauen und forschen können. Diese Bereiche sollten auch nicht ständig „weggeordnet“ werden, da Kinder oft mehrere Tage an einem Projekt arbeiten. Zur Verfügung gestellte Hölzer, Steine, Kunststoffrohre, Schläuche … geben Kindern die Möglichkeit, ihren Raum nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Wenn es aufgrund der Strukturierung und Organisation unserer Lebenswelt schon notwendig sei, abgegrenzte Bereiche für Kinder zu errichten, dann müssten Außengelände so gestaltet werden, dass Kinder den größten Nutzen daraus ziehen. Auch konventionelle Spielgeräte hätten ihre Berechtigung, sollten aber nicht die Vorherrschaft auf einer Freianlage für Kinder übernehmen: „Klassische Klettergerüste, Rutschen und Sandkästen haben meist nur kurzfristigen Spielwert für Kinder und sind zudem monofunktional, teuer und raumgreifend.“ Auch im Außenbereich treffen die Interessen von Kindern auf berechtigte Sorgen von Eltern und Trägerinstitutionen. Hier bedarf es eines sorgfältigen Abwägens potentieller Risiken, um eine tragbare Balance für alle Beteiligten zu finden.


CK, Juli 2018