Zuversicht fördern, vermitteln und zusprechen

Zwischen Entwicklungsförderung, Schulalltag und Krisenmomenten

Salzburg. Der erste Vormittag der 71. Internationalen Pädagogischen Werktagung in Salzburg stand – wie auch die gesamte Veranstaltung – unter dem Thema „Zuversicht stärken“. Der Fokus der Fachvorträge lag insbesondere auf der Förderung von zuversichtlichen Haltungen im Kleinkindalter, in der Familie, Kindertageseinrichtungen und in der Schule. Die hochkarätigen Vortragenden begeisterten die mehr als 500 TeilnehmerInnen aus allen Feldern pädagogischen Arbeitens.


Die frühkindliche Entwicklung von Zuversicht – Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff (Freiburg)

Der deutsche Professor für Klinische Psychologie und Entwicklungspsychologie an der evangelischen Hochschule Freiburg, Klaus Fröhlich-Gildhoff, legte einen besonderen Fokus auf die Bedürfnisse heranwachsender Menschen. Kinder benötigen, so der Experte, schon von frühester Kindheit an Bezugspersonen, mit denen sie ihre Lebenskompetenzen entwickeln können. Dabei komme nicht zuletzt der Fähigkeit, mit schwierigen Situationen, Belastungen und Herausforderungen produktiv umgehen zu können, eine wesentliche Bedeutung zu.
Ob Menschen resilient sind, also in persönlichen oder gesellschaftlichen Krisensituationen ihre Handlungsfähigkeit bewahren können, ist an wesentliche Faktoren in der frühen Kindheit gebunden, so Fröhlich-Gildhoff. „Kinder benötigen – als einen der wichtigsten Bausteine für die Entwicklung von Zuversicht und Resilienz – zumindest eine stabile emotionale Bindung an eine nahe Bezugsperson“, unterstrich der Wissenschaftler aus der Kinder- und Jugendforschung. Die entwicklungsförderliche Beziehung zu Menschen im engen Umfeld (Familie, Kindertagesstätten, Schule) fuße dabei auf dem Gefühl des Kindes, dass sich die Bezugsperson so für diese junge Person da ist, dass sie sowohl geschützt ist, aber auch den Freiraum hat, eigene „Welt-Entdeckungen“ zu machen.
Es gehe nicht darum, Kinder in ihrer Entwicklung von Herausforderungen oder schwierigen Situationen immun zu machen, sondern vielmehr, sie darin zu stärken und zu begleiten. Menschen keines Alters könnten sich vor unerwarteten Ereignissen abschotten, vielmehr gehe es in der gesamten Entwicklung der menschlichen Personalität um die wesentliche Frage, wie man in diesen Fällen handeln und reagieren soll.
Zur Herausbildung von Resilienz, Zuversicht und Optimismus brauche es aber mehr als eine gute Umgebung: Auch die Fähigkeit einer angemessenen Selbst- und Situationseinschätzung, soziale Kompetenz, Selbstwirksamkeit und die eigene Handlungsfähigkeit sind unerlässlich, um seelische Stärke oder eine Haltung der Zuversicht einzunehmen.
„Kinder in ihren Handlungskompetenzen zu stärken, ist eine wechselseitige Anerkennungsleistung. Denn mit der Stärkung des Kindes in zahlreichen Situationen, wird auch die eigene Art der Welterfahrung neu erlebt“, führte der Experte weiter aus.
„Die Förderung von Zuversicht und Resilienz ist eine Grundhaltung sowohl von Einzelnen als auch von Gruppen. Sie hat Auswirkungen auf individuelle Menschen, zugleich aber auf Familien, Gemeinden, ja ganze Gesellschaften. Entscheidend ist, dass diese Förderung bereits in frühen Kindheitstagen, in den ersten Stadien der Persönlichkeitsentwicklung und in den jungen sozialen Gefügen der Kinder ansetzt.“


Schulen als Räume der Zuversicht – HS-Prof. Dipl.-Päd. Mag. Dr. Marlies Matischek-Jauk (Graz)

Die Grazer Professorin Marlies Matischek-Jauk befasste sich in ihren Forschungen bereits seit längerer Zeit mit der Frage nach Zuversicht und Optimismus im schulischen System und dessen Alltag. Nicht zuletzt die vergangenen Jahre der Pandemie hätten gezeigt, wie fragil das Angsterleben und die Stimmung in verschiedenen Altersgruppen sind. Belastungen, die es bereits vor dieser Zeit gegeben hat, wurden während der Jahre der Pandemie noch verstärkt.
Dabei sei es ein nicht zu unterschätzender Trend, dass die schulische Belastung mit der Schulstufe ansteigt, die Lebenszufriedenheit aller Menschen tendenziell mit dem Alter abnimmt. Sowohl LehrerInnen als auch SchülerInnen sind von diesen Entwicklungen betroffen, was wiederum das schulische Miteinander enorm herausfordert, betonte die Lehrende an der Pädagogischen Hochschule Steiermark. Die Pandemie habe zahlreiche emotionale Probleme, die sich im Schulalltag herauskristallisieren, wie ein Katalysator beschleunigt. Dabei fehle es bis heute oftmals an einer professionellen Aufarbeitung dieser Erfahrungen.
„Es ist also höchste Zeit, um über Zuversicht zu sprechen“, stellte die Fachpädagogin klar. Förderungen von sozial-emotionalen Kompetenzen sowohl von SchülerInnen als auch LehrerInnen seien eine Notwendigkeit der Zeit. Dabei gehe es nicht um eine realitätsferne Form utopischer Vorstellungen, sondern man müsse an den Potentialen in konkreten Situationen, bei den Beziehungen von SchülerInnen und LehrerInnen untereinander und miteinander ansetzen. Ein realistischer Optimismus könne mit den negativen Folgen der letzten Jahre umgehen und auf eine produktive Zukunft zusteuern.
Die Schule als ein Ort der Zuversicht könnte hier Räume der Zuversicht schaffen. Grundvoraussetzung dafür sei aber, dass man sich experimentelle Freiräume zutraut und zugesteht. Die schulische Gegenwart habe hier noch zu wenige Möglichkeiten, diese können aber von PädagogInnen geschaffen werden. Offenheit für Innovationen, experimentierfreudiges Planen und Umsetzen, Achtsamkeit und ebenso Erholung sind Grundbausteine für eine Entwicklung von Neuorientierung, Zuversicht und Handlungskompetenzen.
Einen wesentlichen Schlüssel für solche angstfreie Lernräume sah Marlies Matischek-Jauk in sozial-emotionalen Lernformen, die Beratungssettings, Förderungsgespräche und individuelle Lernprogramme miteinschließen. Hier gehe es im Wesentlichen darum, den jungen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und deren Handlungskompetenzen gezielt nach deren individuellen Bedürfnissen zu fördern. Zuversicht ist auch hier besonders an eine glaubwürdige Vermittlung gebunden – Lehrpersonen und SchülerInnen profitieren vom jeweiligen Gegenüber, wenn diese authentisch Zuversicht, Räume des Andersdenkens und alternative Handlungsentwürfe transportieren und ermöglichen.
 

Krisen zwischen Hoffnungslosigkeit und Zuversicht – Harald Wolfesberger BSc MSc (Salzburg)

Als psychosoziale Fachkraft ist der Salzburger Harald Wolfesberger ein Mann der Praxis: Der Erziehungswissenschafter, Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams und Mitarbeiter des Roten Kreuzes kennt sich mit Krisensituationen aus. In seinem Vortrag ging der Referent des Friedensbüros Salzburg auf die Erfahrung von Krisensituationen sowie deren Bewältigung ein. Besonders im pädagogischen Alltag können Erfahrungen von Verlust, Krankheit, Unfällen oder unvorhergesehene Ereignisse zu enormen Herausforderungen führen.
Dabei sind nicht zuletzt die Bezugspersonen in einer wesentlichen Rolle: „Wer Ruhe ausstrahlt, vermittelt Zuversicht“, so Wolfesberger. In pädagogischen Settings sei diese Feststellung nicht immer einfach zu leben und zu realisieren. Dies gelte aber in ähnlicher Art und Weise für Szenarien in der Krisenintervention, für Notfälle und Angstsituationen.
Aus seinem reichen Erfahrungsschatz stellte Harald Wolfesberger fest: „In Krisensituationen gibt es tatsächlich eine Vielzahl von Fehlern, die man machen kann.“ Dies solle aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verarbeitung dieser Situationen unerlässlich ist, um eine personale und emotionale Form der Bewältigung aufrecht zu erhalten.
Zwischen helfender Person (Begleitung) und der betroffenen Person gäbe es ein Gefälle, das nicht aufgehoben werden kann. Die Handlungsfähigkeit des Gegenübers sei dabei die oberste Priorität – jede Hilfe und Unterstützung habe sich daran zu orientieren. Wie in einem coachenden Verhältnis gilt es, die Menschen in ihrer individuellen Fähigkeit zu stärken und zu fördern.
Gerade in Gruppensettings wie in pädagogischen Einrichtungen sind solche Situationen umso herausfordernder, stellte Wolfesberger klar. Dabei könne es hilfreich sein, mit den betroffenen Kindern ein offenes Gespräch zu suchen und so eine Art von Verarbeitung in Gang zu setzen.
PädagogInnen haben eine Schlüsselposition in solchen Momenten: Sie sind Bezugspersonen für junge Menschen, die auf Basis dieses Verhältnisses Formen von Verarbeitung und Bewältigung ermöglichen können. Dies führt in weiterer Folge dazu, dass es unerlässlich ist, pädagogischen Fachkräften Methoden und Anleitungen anzubieten, wie sie in solchen Krisen agieren können. Es sei zwar eine allgemeine Notwendigkeit, Menschen einen breiteren Zugang zu Fortbildungen und Kompetenzförderung in der Krisenbetreuung zu ermöglichen, für die Aktiven in den pädagogischen Einrichtungen gelte dies aber in besonderem Maße.
Gerade die Beziehungsarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und den Kindern fördert in der Krisenbewältigung das Vermitteln von Zuversicht – wenn das Geschehene nicht verdrängt, verneint oder übergangen wird, sondern als eine realistische, aber individuell angepasste Auseinandersetzung mit dem Ereignis angeleitet wird.
Zuversicht in der Hoffnungslosigkeit könne so auch dort entstehen, wo das Gefühl vermittelt wird bzw. die Erfahrung gemacht wird, dass schwere Situationen, auch wenn oder gerade weil sie nicht vermieden werden können, zumindest durchlebt, bewältigt und überwunden werden können.

 

A. W., Juli 2023

Bild: Hiwa Naghshi/eds